Anlässe

Ein Weihnachtscountdown, der das Jahr meiner Familie einfängt

Wie wir einen Foto-Adventskalender dazu genutzt haben, um auf unsere ganz eigene Weise über das vergangene Jahr zurückzublicken

Festive envelopes with "Merry Christmas" cards, adorned with pine sprigs and twine, featuring numbers 12 and 18.
Festive envelopes with "Merry Christmas" cards, adorned with pine sprigs and twine, featuring numbers 12 and 18.

Die amerikanische Journalistin, Autorin und Podcasterin Linda Rodriguez McRobbie erforscht die Eigenheiten der Wissenschaft, Geschichte und menschlichen Natur. Heute lebt sie in England und entdeckt weiterhin das Außergewöhnliche im Alltäglichen.

Als unsere Kinder geboren wurden, hatten mein Mann und ich viele Ideen, wie wir als Familie Traditionen schaffen wollten. Einige davon waren Sachen, die man sich ausdenkt, bevor man mit de Realität des Elternseins konfrontiert wird, wie zum Beispiel die Begrenzung der Anzahl Geburtstagsgeschenke auf vernünftige drei Geschenke (eines von jedem Elternteil, eines von uns beiden) – und natürlich nichts aus Plastik.

Diese Pläne scheiterten schon an der ersten Hürde. Obwohl unser Ältester jetzt 14 ist, will er eigentlich nur noch Geld. Aber es gibt eine Tradition, die nicht nur die Unzufriedenheit eines Teenagers, sondern auch die Verlockung des Kapitalismus, die Langeweile der Pandemiejahre und sogar die Anziehungskraft der Prokrastination überstanden hat.

A child holding a photo in front of a decorated Christmas tree with ornaments and lights.

Mein Mann schwört, dass er die Idee zuerst hatte, und ich schwöre, dass ich es war, aber Tatsache ist, dass wir beide einen selbstgemachten Adventskalender basteln wollten. Zunächst haben wir das noch etwas aufgeschoben, als unser erstes Kind noch zu jung war, um das Konzept zu verstehen, aber als er drei Jahre alt wurde, war klar, dass wir etwas machen mussten, bevor wir uns mit Schokolade zufrieden gestellt hätten. Wir wussten, dass wir nichts wollten, was mit Süßigkeiten oder Spielzeug zu tun hatte – wir wollten etwas Einfaches, eine unkomplizierte Tradition, die wir jedes Jahr umsetzen konnten, die aber trotzdem eine gewisse Bedeutung hatte.

Außerdem hatte uns eine Art Manie erfasst, die seit dem Aufkommen der digitalen Fotografie im Grunde alle Eltern irgendwann erwischt – es gibt mehr Fotos aus den ersten drei Jahren unseres ersten Kindes als aus meinem ganzen Leben zusammen. Dieses Leiden hatte sich mit der Geburt unseres zweiten Kindes noch verschlimmert, dessen Ankunft in diesem Jahr einen exponentiellen Anstieg der Anzahl Fotos auf meinem Handy mit sich gebracht hatte. Ich fing an, quadratische Fotos in Stapeln auszudrucken, sie an einer Schnur zu befestigen, um Girlanden mit unseren Erinnerungen im Haus aufzuhängen, sie auf Regalen aufzustellen und sie als Lesezeichen zu verwenden.

Wir wollten etwas Einfaches, eine unkomplizierte Tradition, die wir jedes Jahr umsetzen konnten, die aber trotzdem eine gewisse Bedeutung hatte.

Ein Foto-Adventskalender schien also naheliegend. Und letztendlich spielt es keine Rolle, wer auf die Idee gekommen ist (ich war es, ganz klar ich). Wie bei den meisten Sachen haben wir gemeinsam daran gearbeitet, bis wir es uns zu eigen gemacht haben. Jeden Tag öffneten unsere Kinder abwechselnd einen nummerierten Umschlag mit einem Foto aus dem vergangenen Jahr. Sie hängten das Bild an einen speziellen Weihnachtsbaum auf, und am Ende der Adventszeit hatten wir eine Collage von all den Dingen, die wir gemacht hatten, wo wir gewesen waren und wie wir miteinander gewachsen sind.

A child points at a photo on a cardboard Christmas tree decorated with string lights, placed against a staircase.
A toddler in pajamas reaches for a wall-mounted Christmas tree made of photos, set against a wooden floor and white wall.

Die erste Version des Baums war ein Stück grüner, mit Farben aus der Bastelbox der Kinder bemalter Karton in Form eines Baums, den wir mit Lichterketten geschmückt hatten. Wir klebten ihn so an die Wand, dass ein Dreijähriger ihn erreichen konnte. Die ersten Umschläge waren eigentlich gestreifte Bonbontüten, die ich in einem Laden gekauft hatte. Das erste Bild, das mein Sohn auf den Pappbaum klebte – indem er es vorsichtig genau in die Mitte drückte und dann mit einem Stock feststeckte –, war eigentlich ein Foto von einem Foto. Es war ein großer quadratischer Abzug von mir, wie ich ein Erinnerungsfoto aus diesem Sommer in der Hand hielt, als Transport for London im St. James Park ein Public Viewing für die Tour de France eingerichtet hatte – unsere vierköpfige Familie saß auf einem stationären Fahrrad, während hinter uns Radfahrer in der Mall ins Ziel radelten. Das Bild ist eins unserer Lieblingsbilder, eines der wenigen, auf denen wir alle zusammen zu sehen sind.

Am Weihnachtsmorgen kamen 24 weitere Fotos hinzu, von unserer sechswöchigen Reise quer durch Amerika, wo wir auf zwei Hochzeiten eingeladen waren und Freunde und Verwandten besucht haben, von der ersten Fahrradtour unseres ältesten Kindes (gerade außerhalb des Bildausschnitts steht sein Onkel und hält das Fahrrad aufrecht); von Mittagsschläfchen mit der Katze; von Wasserschlachten im Garten. In diesem ersten Jahr fiel es mir schwer, unsere Fotos auf nur 25 zu beschränken. Tatsächlich habe ich das nicht geschafft. Ich habe zwei bis drei Fotos in jeden Umschlag gesteckt und meinem Mann gesagt: „Ist schon okay, wir suchen uns einfach aus, welches an den Baum kommt!“ (Das hat ungefähr so gut geklappt, wie du’s dir vorstellen kannst).

Cardboard tree with polaroid photos clipped to it, adorned with string lights, set by a window with a red plaid blanket at the base.
Hand holding a green card with "24" on it, next to a photo of children and a red plaid fabric.

Das erste Jahr war eine Art Testlauf; in den nächsten Jahren haben wir das Ganze verfeinert. Wir entschieden uns für kleine quadratische Abzüge und ich habe rote und grüne Umschläge besorgt, die perfekt dazu passten. Mein Mann bastelte einen flachen Holzbaum, den er weiß anmalte und auf einen Ständer montierte, mit kleinen Haken, an denen die Fotos aufgehängt werden konnten. Um das Problem der 25 Tage und der beiden Kinder zu lösen, zwischen denen sie aufgeteilt werden mussten, beschlossen wir, dass der letzte Tag gar kein Foto sein sollte, sondern ein goldener Stern für die Spitze des Baums. Nach Weihnachten wird der Baum weggeräumt und wir kleben die Fotos in ein Album.

Um das Problem der 25 Tage und der beiden Kinder zu lösen, zwischen denen sie aufgeteilt werden müssen, haben wir beschlossen, dass der letzte Tag kein Foto sein sollte, sondern ein goldener Stern für die Spitze des Baums

Es gab Jahre, in denen ich mich beeilt habe, die Fotos rechtzeitig auszudrucken – letztes Jahr habe ich es nicht geschafft und unser Adventskalender begann fast eine Woche zu spät. Es gab Jahre, in denen wir dem Druck der Schokoladenlobby (also ich) nachgegeben und zusätzlich Schokoladen-Adventskalender gekauft haben. Vor ein paar Jahren haben wir sogar das Spielzeugverbot gelockert, weil der Lego-Star-Wars-Kalender einfach zu gut war.

Die Erinnerungen auf den Fotos sind nicht nur glücklich – sie zeigen auch geliebte Haustiere, die gestorben sind, Feiertage, die von Streitigkeiten überschattet waren, Momente der Niederlage (zum Beispiel ein Bild von dem Trost-Hotdog, den ich gegessen habe, nachdem ich ein langes Schwimmtraining, für das ich monatelang trainiert hatte, nicht beenden konnte). Jetzt, wo meine Kinder älter werden, ist der Kalender fast schon bittersüß; oft kann ich sehen, wie sehr sie in nur einem Jahr gewachsen sind und sich von uns entfernt haben.

Aber was gleich geblieben ist, ist die Freude am Erinnern, selbst an schwierige Zeiten. Die Adventsbilder erzählen die Geschichte eines Jahres, die Höhen und Tiefen, und erinnern uns daran, dass wir trotz allem immer noch zusammen sind. Dass wir uns nicht nur immer noch lieben, sondern, was vielleicht noch überraschender ist, dass wir uns auch tatsächlich mögen. Und das ist ein ziemlich tolles Weihnachtsgeschenk.